Minderung der Erwerbsfähigkeit: Wann liegt eine MdE vor?
14. Oktober 2022 von Camille - 6 Minuten Lesezeit
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liegt vor, wenn eine Person aufgrund eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit nicht mehr voll erwerbsfähig ist. Sie möchten wissen ab bei welchen Behinderungen eine MdE anerkannt wird und welche Nachteilsausgleiche es für betroffene Person gibt? Dein Hilfexpert hat die Antwort auf all Ihre Fragen.
Inhaltsübersicht
Was ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit?
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn eine Personen aufgrund eines Unfalls bei bzw. auf dem Weg zur Arbeit oder aufgrund einer Berufskrankheit, ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Es handelt sich konkret um eine Prozentzahl, die misst wie hoch die Folgen des Unfalls bzw. der Krankheit sind.
Personen, bei denen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit anerkannt wurde, haben Anspruch auf eine sogenannte Verletztenrente, die von der Unfallversicherung ausgezahlt wird. Die Höhe dieser Rente ist von dem MdE-Prozentsatz und dem Gehalt der Person abhängig.
Minderung der Erwerbsfähigkeit Tabelle: Wann wird eine MdE anerkannt?
Voraussetzung für die Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist, dass der Unfall bei oder auf dem Weg zur Arbeit eingetreten ist oder die Krankheit im direkt zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Eine MdE wird zudem nur dann anerkannt, wenn die Folgen des Unfalls bzw. der Krankheit länger als 26 Wochen andauern.
Die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist unabhängig vom ausgeübten Beruf. Das bedeutet, dass nicht beurteilt wird ob eine Person ihren spezifischen Beruf noch ausüber kann, sondern wie sie allgemein auf dem Arbeitsmarkt zurecht kommen würde.
Beispiele für die Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
Grund
MdE-Wert (in Prozent)
Verlust von Langfinger im Grundgelenk
10
Verlust aller Zehen
20
Verlust eines Fußes im Rückfuß
30
Verlust von 4 Langfingern im Grundgelenk
40
Verlust der 5 Finger einer Hand im Grundgelenk
50
Verlust eines Beines im Oberschenkel
60
Verlust beider Daumen im Grundgelenk
70
Verlust eines Armes im Oberarm
80
Verlust von 4 Langfingern einer Hand und 5 Fingern der anderen Hand im Grundgelenk
90
Verlust beider Beine im Hüftgelenk
100
Ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, wird von einem medizinischen Gutachter beurteilt, der von der gesetzlichen Unfallversicherung beauftragt wird. Das erstellte Gutachten dient der Versicherung als Einschätzung der Situation, sie ist jedoch nicht an das Ergebnis des Gutachters gebunden. Konkret bedeutet das, dass die Versicherung, basierend auf ihren Erfahrungswerten die endgültige Entscheid trifft.
Sollte der Arbeitsunfall zu mehreren Schäden, z.B. zum Verlust von mehreren Körperteilen geführt haben, so wird die Gesamtauswirkung der Körperschäden für die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit berücksichtigt.
Verletztenrente: Welche Nachteilsausgleiche gibt es bei einer MdE?
Personen, die die Voraussetzungen erfüllen und bei denen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 bzw. 30 Prozent für Personen, die in landwirtschaftlichen Unternehmen arbeiten, anerkannt wurde, haben Anspruch auf die sogenannte Verletztenrente. Hierbei handelt es sich um eine Ausgleichszahlung, die die MdE abmildern soll.
Bei der Ausgleichszahlung geht es nicht darum, ob die Person tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat. Auch Personen, die trotz ihrer Verletzung bzw. Krankheit ihre Tätigkeit ausführen können, haben Anspruch auf diese Zahlung. Dies kann demnach in einigen Fällen zu einer leichten Einkommensverbesserung führen.
Wie hoch die Verletztenrente ausfällt, ist abhängig von dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und dem Gehalt, das die Person vor dem Versicherungsfall erhalten hat:
Vollrente: Bei einer vollständigen Erwerbsminderung, d.h. einem Grad der Minderung von 100 Prozent beträgt die Verletzungsrente zwei Drittel des Nettoeinkommens, das die Person vor dem Versicherungsfall bekommen hat. Bei Personen, die aufgrund der Verletzung bzw. Krankheit arbeitslos geworden sind, zählt die Unfallversicherung die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld I bzw. Arbeitslosengeld II und dem Übergangsgeld.
Teilrente: Liegt der MdE-Grad unter 100 Prozent, so liegt nur ein teilweiser Verlust der Erwerbsfähigkeit vor. In solch einem Fall muss anhand des Grades und des Gehaltes genau berechnet werden hoch die Verletztenrente ist.
Was ist das Übergangsgeld?
Auf das Übergangsgeld haben Personen Anspruch, die aufgrund einer medizinischen Maßnahme wie z.B. einer Reha kein Einkommen bekommen. Die Höhe des Überganggelds ist vom Gehalt abhängig und beträgt ca. zwei Drittel des Nettoeinkommens.
Minderung der Erwerbsfähigkeit Berechnung
Personen, die Anspruch auf die sogenannte Teilrente haben, können sich ausrechnen wie viel Geld sie monatlich bekommen werden. Hierfür benötigen sie ausschließlich die Höhe ihres Jahresgehaltes und den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit: Nettojahresgehalt x ⅔ x MdE-Grad = jährlich Verletztenrente.
Beispiel: Nach einem schweren Unfall auf dem Weg zur Arbeit hat Frau Müller 4 Langfinger an einer Hand verloren. Ihr wird demnach der MdE-Grad von 40 Prozent anerkannt. Ihr Jahresgehalt belief sich bis dahin auf 30.000 €. Da ihr MdE-Grad unter 100 Prozent liegt, hat sie keinen Anspruch auf die Vollrente. Um auszurechnen wie Hoch die Teilrente ist, auf die sie Anspruch hat, muss sie folgende Rechnung anstellen:
Berechnung der jährlichen Verletztenrente: 90.000 x ⅔ x 0,4 = 24.000 €
Berechnung der monatlichen Verletztenrente: 16.000/ 12 = 2000 €
Wichtig
Schwerverletzte, das heißt Personen, mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent oder mehr, haben einen Anspruch 10 Prozent Verletztenrente mehr, wenn sie aufgrund des Versicherungsfalles ihre Tätigkeit nicht mehr ausfüllen können und keine Anspruch auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben.
Mindest- und Höchst-Jahresarbeitsverdienst
Selbstverständlich gibt es auch bei der Verletztenrente Grenzen bezüglich der Höhe der Leistung. Zum einen gibt es ein sogenanntes Mindest-Jahresarbeitsverdienst auf das bestimmte Personen Anspruch haben. Hierzu gehören Personen:
deren Arbeitseinkommen unter dem festgesetzten Jahreseinkommen liegen.
die in den vergangenen 12 Monaten vor dem Versicherungsfall kein Gehalt bekommen haben.
Die Höhe des Mindest-Jahresarbeitsverdienstes hängt zum einen von dem Alter der betroffenen Person ab und zum anderen davon, ob die Person in Ost- oder Westdeutschland lebt. Eine Person zwischen 25 und 30 Jahren hat beispielsweise Anspruch auf mindestens 29.610 €, wenn sie in Westdeutschland lebt und auf 28.350 €, wenn sie ihren Hauptwohnsitz in Ostdeutschland hat.
Zudem kann die Verletztenrente eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Hier spricht man von dem sogenannten Höchst-Jahresarbeitsverdienst. Diese Grenze liegt aktuell bei 78.960 € in Westdeutschland und 75.600 € in Ostdeutschland.
Minderung der Erwerbsfähigkeit Steuererklärung
Die Verletztenrente ist steuerfrei. Das bedeutet, dass Personen, die diese Rente beziehen keine Steuern auf den Betrag zahlen müssen. Die Rente unterliegt auch nicht dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, dass der Betrag den steuersatz auf die sonstigen zu versteuernde Einkünfte nicht erhöht.
Anders sieht es bezüglich der Sozialversicherungspflichtigkeit des Betrag aus. Bei Personen, die sich freiwillig bei der Kranken- und Pflegeversicherung versichern lassen, ist die Rente beitragspflichtig. Wer sich allerdings nicht freiwillig versichern lässt, muss auch keinen Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Weitere häufig gestellte Fragen
❓ Was ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit?
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist ein Prozentsatz, der angibt wie hoch die Folgen eines Unfalls bzw. einer Krankheit sind, die im Zusammenhang mit einem Ereignisses bei der Arbeit stehen. Personen, die einen MdE von mindestens 20 haben, erhalten von der Unfallversicherung eine sogenannte Verletztenrente.
🧮Minderung der Erwerbsfähigkeit Berechnung: Wie geht das?
Personen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 Prozent haben, haben Anspruch auf eine sogenannte Vollsrente. Diese beträgt ⅔ des Gehaltes vor dem Versicherungsfall. Personden mit einem MdE von weniger als 100 Prozent haben Anspruch auf eine Teilrente. Diese wird wie folgt berechnet: Nettojahresgehalt x ⅔ x MdE-Grad = jährlich Verletztenrente.
Camille ist seit Januar 2022 Redakteurin im Team von DeinHilfexpert und schreibt Artikel für den Ausbau des deutschen Servicebereichs. Sie absolviert derzeit ein duales Studium an der ISCOM Schule in Paris und im Unternehmen DeinHilfexpert.