Finanzen

Privatinsolvenz: Was tun, wenn man überschuldet ist?

27. Juni 2022 von Camille - 7 Minuten Lesezeit

Privatinsolvenz: Was tun, wenn man überschuldet ist?

Für Schulden gibt es viel Auslöser. Meist sind es Ereignisse, die so gut wie jeden treffen können. Eine mögliche Lösung, um die Finanzen in den Griff zu bekommen, ist die sogenannte Privatinsolvenz. Was das genau ist und wie ein Privatinsolvenzverfahren abläuft, erfahren Sie bei Dein Hilfexpert.

Was ist Privatinsolvenz?

Privatinsolvenz, oder auch Verbraucherinsolvenz ist ein Verfahren, dass die Entschuldung von Privatpersonen zum Ziel hat. Es betrifft demnach Personen, die ihre Schulden und Zinsen nicht mehr begleichen können. Durch die Anmeldung von Privatinsolvenz, wird diesen Person die Möglichkeit geboten, schuldenfrei zu werden.

Um die Möglichkeit der Privatinsolvenz nutzen zu können, müssen die Personen allerdings eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Person muss zahlungsunfähig sein. Das bedeutet, dass die Person nicht nur (hohe) Schulden hat, sondern auch über kein ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen verfügt, um die Schulden zu begleichen.
  • Die Person ist nicht selbstständig, ihre Schulden ergeben sich demnach nicht aus einer selbstständigen Tätigkeit. Sollten sich die Schulden aus einer ehemaligen selbstständigen Tätigkeit ergeben, so dürfen nicht mehr als 20 Gläubiger vorhanden sein.
  • Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, muss sich der Lebensmittelpunkt des Antragstellers in Deutschland befinden.
Für Selbstständige, für die sich die Schulden aus ihrer unternehmerischen Aktivität ergeben, ist die sogenannte Regelinsolvenz das richtige Verfahren.

Privatinsolvenz beantragen: Was passiert während des Privatinsolvenzverfahrens?

Auch wenn die Anmeldung von Privatinsolvenz für viele überschuldete Haushalte ein guter Weg raus aus der Schuldenfall ist, scheuen sich viele davor das Verfahren einzuleiten. Grund dafür ist nicht zuletzt die Komplexität dieses Verfahrens. Bevor man sich demnach für diesen Weg entscheidet, lohnt es sich einen Berater aufzusuchen. Hierbei kann entweder ein Schuldnerberater oder ein Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden.

Einige Schuldnerberater bietet ihre Hilfe sogar kostenlos an. Allerding sind hier meist längere Wartezeiten notwendig. Den passenden Schuldnerberater in Ihrer Nähe, finden Sie im Schuldneratlas des Statistischen Bundesamt.

Nachdem sich der ausgewählte Berater mit der Situation des Schuldners vertraut gemacht hat und zu einem Insolvenzverfahren rät, kann das sechsstufige Verfahren der Privatinsolvenz eingeleitet werden. Wie viele dieser sechs Stufen letztendlich durchlaufen werden müssen, ist von der individuellen Situation des Schuldners abhängig.

Wie lange dauert eine Privatinsolvenz?
Die Dauer eine Privatinsolvenz beträgt mindestens 3 Jahre. Während dieser Zeit muss der Schuldner einen Teil seines Einkommens an den Treuhändler abgeben. Wie lange es dauert, bis diese Phase beginnt, ist jedoch vom Einzelfall abhängig.

Schritt 1: Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Privatinsolvenz: Was tun, wenn man überschuldet ist?Bevor das Privatinsolvenzverfahren beginnt, muss ein sogenannte außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren stattfinden. Ziel dieses Verfahrens ist es, eine Lösung zwischen Schuldner und Gläubiger zu finden, ohne dass ein Gericht eingreifen muss.

Hierfür muss der Schuldner gemeinsam mit seinem Berater bzw. Rechtsanwalt, seine gesamten Schulden sowie sein gesamtes Vermögen ermitteln. Hieraus wird ein sogenannter Schuldenbereinigungsplan erarbeitet, der anschließend den Gläubigern vorgestellt wird. Meist werden hier Ratenzahlungen im Gegenzug von einem Schuldenerlass vorgeschlagen. Stimmen die Gläubiger zu, so muss keine Insolvenz angemeldet werden.

Schritt 2: Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

In den meisten Fällen stimmen die Gläubiger dem Schuldenbereinigungsverfahren allerdings nicht zu. Dies würde nämlich bedeuten, dass sie auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

Der Schuldner und sein Berater bzw. Anwalt wenden sich demnach im nächsten Schritt an ein Gericht. Hier müssen sie erklären wieso das außergerichtliche Verfahren nicht erfolgreich war und wieso sie Privatinsolvenz anmelden möchten.

Das Gericht prüft auf seiner Seite, ob eine Einigung mit den Gläubigern gefunden werden kann. Ist dies nicht der Fall, so wird das Insolvenzverfahren eingeleitet.

Schritt 3: Gerichtliches Insolvenzverfahren

Wurde keine Einigung zwischen dem Schuldner und den Gläubigern gefunden, so muss der Schuldner bei dem Gericht einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einreichen. Hierfür muss er eine 45 Seite langen Antrag auf Privatinsolvenz gemeinsam mit seinem Berater bzw. Rechtsanwalt ausfüllen. Hier macht er Angaben über sein Vermögen und Einkommen sowie über seine Schulden und Gläubiger. Das Gericht prüft den Antrag auf Privatinsolvenz und eröffnet das Verfahren.

Vor Beginn des Verfahrens prüft das Gericht, ob die Verfahrenskosten von dem Antragsteller gedeckt werden können. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird einem Antrag auf Stundung stattgegeben. Die Verfahrenskosten müssen so erst nach der Restschuldbefreiung gezahlt werden.

Nach Eröffnung des Verfahrens, muss der Schuldner sich einen sogenannten Treuhänder suchen. Dieser kümmert sich um die organisatorischen Aspekte des Insolvenzverfahrens.

Der Treuhänder kümmert sich unter anderem darum, das Vermögen zu verwerten. Er prüft als welcher Teil des Vermögens zur Insolvenzmasse gehört. Dies beträgt jegliches Vermögen, dass bei einer Zwangsvollstreckung pfändbar wäre.

Schritt 4: Wohlverhaltensphase

Die nächste Phase ist die wohl längste Phase der Privatinsolvenz. Während der Wohlverhaltensphase tritt der Schuldner 3 Jahre lang sein Einkommen an den zuvor bestimmten Treuhänder ab. Er darf während dieser Periode keine neuen Schulden aufnehmen und muss beispielsweise im Fall eines Erbes, die Hälfte davon abtreten.

Während der Wohlverhaltensphase, hat der Schuldner die Pflicht zu arbeiten. Sollte er keiner beruflichen Tátigkeit nachgehen, muss er nachweisen, dass er sich um eine Anstellung bemüht.

Privatinsolvenz: Was darf man behalten?

Während der Wohlverhaltensphase, lässt sich das Einkommen in 3 Teile unterteilen:

  • Grundfreibetrag: Der Betrag, der die Existenz des Schuldners absichern soll.
  • Erhöhung des Freibetrags: Dieser Betrag richtet sich danach, ob der Schuldner für andere Personen unterhaltspflichtig ist.
  • Vollstreckungsbeschränkung: Der Betrag, der über den Grundbetrag und die eventuelle Erhöhung des Freibetrag hinausgeht. Dieser Betrag muss an den Treuhänder übertragen werden.
Privatinsolvenz: Was darf man behalten?
Anzahl der Unterhaltsberechtigten Betrag, der nicht gepfändet wird
Grundfreibetrag (keine Unterhaltszahlung) 1.259,99 €
Grundfreibetrag + Erhöhung: 1 Unterhaltsberechtigter 1.729,99 €
Grundfreibetrag + Erhöhung: 2 Unterhaltsberechtigter 1.989,99 €
Grundfreibetrag + Erhöhung: 3 Unterhaltsberechtigter 2.249,99 €
Grundfreibetrag + Erhöhung: 4 Unterhaltsberechtigter 2.519,99 €
Grundfreibetrag + Erhöhung: 5 Unterhaltsberechtigter 2.779,99 €

Schritt 5: Insolvenzplanverfahren

Die Privatinsolvenz kann während der Wohlverhaltensphase stets vorzeitig beendet werden. Dies kann beispielsweise eintreten, wenn sich die finanziellen Situation des Schuldners ändern, weil er beispielsweise ein Erbe antritt, Es kann jedoch auch vorkommen, dass die Gläubiger verhandlungsbereit werden und sich auf einen gemeinsamen Lösungsansatz geeinigt werden kann.

Schritt 6: Restschuldbefreiung

Nach Ablauf der 3 Jahre, entscheidet das zuständige Gericht darüber, ob der Schuldner von seinen Schulden befreit werden soll. Hat dieser während der Wohlverhaltensphase all seine Pflichten erfüllt, entscheidet sich das Gericht meist für eine Restschuldbefreiung und beendet somit die Privatinsolvenz.

Seit Herbst 2020 gibt es keine sogenannte Mindestquote mehr. Das bedeutet, dass der Schuldner im Fall Privatinsolvenz keinen Mindestbetrag seiner Schulden beglichen haben muss. Dieser Betrag lag zuvor bei 35 Prozent. Zudem müssen nicht mehr sämtlicheVerfahrenskosten während dieser Zeit beglichen worden sein. Diese können nämlich nun auch erst nach der Restschuldbefreiung gezahlt werden.

Von der Restschuldbefreiung sind einige Schulden ausgeschlossen. Diese müssen von dem Schuldner auch nach Abschluss der Privatinsolvenz weiter zurückgezahlt werden. Hierzu gehört:

  • Unterhaltsschulden,
  • hinterzogene Steuern
  • und ein eventuelles zinsloses Darlehen, das zur Zahlung der Gerichtskosten genutzt wurde.

Was sind die Vor- und Nachteile einer Privatinsolvenz?

Privatinsolvenz: Was tun, wenn man überschuldet ist?Bevor ein Schuldner sich für die Privatinsolvenz entscheidet, sollte er sich über die Vor- und Nachteile dieses Verfahrens bewusst sein. Einer der wichtigsten Vorteile ist selbstverständlich, dass der Schuldner nach Abschluss des Verfahrens schuldenfrei ist. Weiter Vorteile sind, dass:

  • jegliche Pfändungen bei Beginn des Verfahrens wegfallen und somit keine Konto- und Lohnpfändungen mehr befürchtet werden müssen.
  • da das Vermögen und die Schulden von einem Treuhänder verwaltet werden, gibt es keine Besuche vom Gerichtsvollzieher mehr.
  • durch die Pfändungsfreigrenze ist das Existenzminimum gesichert
  • nach dem Ende des Insolvenzverfahrens, hat der Schuldner eine Chance auf Neustart.

Doch das Privatinsolvenzverfahren hat auch Nachteile, über die sich der Schuldner bewusst sein sollte, bevor er das Verfahren einleitet:

  • Das Verfahren dauert insgesamt 3 Jahre und selbst im Anschluss ist die Person noch weitere 3 Jahre bei der Schufa gemeldet.
  • Während dieser 3Jahre muss sich die Person extrem in ihrem Konsumverhalten einschränken.
  • Der Arbeitgeber muss über die finanzielle Situation des Arbeitnehmers informiert werden.
  • Für das Insolvenzverfahren fallen Kosten an, die der Antragsteller tragen muss.
Weitere häufig gestellte Fragen

Camille ist seit Januar 2022 Redakteurin im Team von DeinHilfexpert und schreibt Artikel für den Ausbau des deutschen Servicebereichs. Sie absolviert derzeit ein duales Studium an der ISCOM Schule in Paris und im Unternehmen DeinHilfexpert.


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