Pflegegrad beantragen: Voraussetzungen und Antragsverfahren
10. November 2022 von Camille - 8 Minuten Lesezeit
Ein Pflegegrad kann von Personen beantragt werden, die gesundheitliche Probleme haben und sich nicht (mehr) selber versorgen können. Wurde der Pflegegrad genehmigt, so steht diesen Personen eine Pflegefinanzierung zu. Sie möchten mehr über das Antragsverfahren und die damit verbundenen finanziellen Hilfen erfahren? Dein Hilfexpert hat die Antwort auf all Ihre Fragen.
Inhaltsübersicht
Wie kann man einen Pflegegrad beantragen?
Menschen, die Schwierigkeiten haben, die gängigen Alltagsaufgaben alleine zu bewältigen, können einen Pflegegrad beantragen. Der Antrag auf einen Pflegegrad wird bei der zuständigen Pflegekassegestellt. Hierfür kann die entsprechende Pflegekasse schriftlich oder telefonisch kontaktiert werden. Dieser Schritt erfolgt meist formlos.
Die Pflegekasse ist Teil der Krankenkasse. Sie kann demnach über die gleichen Kontaktdaten erreicht werden. An wen Sie sich genau wenden müssen, ist demnach von ihrer Versicherung abhängig.
Nachdem die Anfrage bei der Pflegekasse eingegangen ist, schickt die Pflegekasse dem Antragsteller Unterlagen zu, die dieser ausfüllen muss. Nach Erhalt der Unterlagen, schickt die Pflegekasse einen Gutachter zum Antragsteller nach Hause, der über die Pflegebedürftigkeit der Person entscheidet.
Wer kann einen Pflegegrad beantragen?
Grundsätzlich kann jeder, der das Gefühl hat pflegebedürftig zu sein einen Pflegegrad benatragen. Dennoch gibt es eine wichtige Voraussetzung: Der Antragsteller muss in den vergangenen 10 Jahren mindestens zwei Jahre lang in die Pflegekasse eingezahlt haben.
Pflegegrad beantragen: Wie läuft das Prüfverfahren ab?
Wird ein Pflegegrad zum ersten Mal beantragt, so muss vorerst entschieden werden, ob Pflegebedürftigkeit besteht und welcher Pflegegrad der richtige ist. Hierfür wird ein sogenanntes Prüfverfahren eingeleitet.
Im Rahmen dieses Prüfverfahrens ermittelt ein sogenannter medizinischer Dienst wie selbstständig der Antragsteller ist und ob ein Pflegegrad genehmigt werden kann. Dafür schickt der medizinische Dienst einen Gutachter zu dem Antragsteller nach Hause. Diese stellt der Person Fragen und überprüft bestimmte Verhaltensweisen.
Was ist ein Medizinischer Dienst?
In Deutschland gibt es zwei große Medizinische Dienste: der Medizinische Dienst (MD) ist für gesetzlich versicherte Personen zuständig, während Medicproofsich um privatversicherte Menschen kümmert. Beide Pflegedienst arbeiten mit medizinischen Gutachtern zusammen, die die Pflegebedürftigkeit von Antragstellern überprüfen.
Insgesamt erfolgt die Erstellung des Gutachtens anhand der Überprüfung von sechs Kriterien:
Mobilität: Kann der Antragsteller sich noch selber fortbewegen?
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann der Antragsteller seine Bedürfnisse noch mitteilen und sich zeitlich sowie örtlich orientieren?
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Antragsteller Hilfe aufgrund von psychischen Problemen?
Selbstversorgung: Kann der Antragsteller sich noch selber pflegen?
Bewältigung und Umgang mit krankheitsbedingten Herausforderungen: Wie selbstständig kann der Antragsteller seine krankheitsbedingten Aufgaben bewältigen?
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Antragsteller seine sozialen Kontakte pflegen?
Für jeden dieser Bereiche erteilt der Gutachter Punkte. Basierend auf diesen Punkten, wird anschließend eine Gesamtpunktzahl zwischen 0 und 100 ermittelt, welches letztendlich dem Pflegegrad bestimmt. Beispielsweise haben Personen mit einer Punktzahl zwischen 12,5 und 27 einen Pflegegrad 1. Das Ergebnis wird dem Antragsteller von der Pflegekasse mitgeteilt und die entsprechenden Leistungen anschließend ausgezahlt.
Pflegegrad
Grad der Selbstständigkeit
Punktzahl
Pflegegrad
Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
12,7 bis 27
1
Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
27 bis 47,5
2
Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
47,5 bis 70
3
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
70 bis 90
4
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
90 bis 100
5
Die Punktzahl wird anhand einer komplizierten Rechnung ermittelt. Zwar gibt es im Internet Instrumente, um den Pflegegrad zu berechnen, doch sind diese nicht immer zuverlässig.
Pflegegrad beantragen: Wie kann man Widerspruch einlegen?
Selbstverständlich kann es vorkommen, dass der Antrag auf Pflegegrad abgelehnt wird bzw. nicht der gewünschte Pflegegrad erteilt wird. In solch einem Fall hat der Antragstellen einen Monat Zeit um Widerspruch gegen den Pflegegrad einzulegen. Um Widerspruch beim Pflegegrad einlegen, sollte die vier folgenden Schritte befolgt werden:
Schritt 1: Der Antragsteller sollte das erstellte Gutachten genau prüfen und sich überlegen in welchen Punkten der Gutachter die Situation nicht richtig eingeschätzt hat. Gegen diese Punkte kann anschließend ein begründeter Widerspruch eingelegt werden.
Schritt 2: Der Antragsteller kann sich Hilfe von außen holen, z.B. von einem Pflegeberater oder einer Pflegefachkraft. Auch Tipss von Personen, die das Verfahren bereits durchlaufen haben, können hilfreich sein.
Schritt 3: Der Antragsteller sollte alle wichtigen Dokumente, die seinen Widerspruch gegen den Pflegegrad belegen, sammeln. Das können beispielsweise Artzbriefe oder die Empfehlung eines Pflegeberaters sein.
Schritt 4: Der Antragsteller muss den Widerspruch gegen den Pflegegrad schriftlich bei der Pflegekasse einreichen. In einem Brief sollte er auffühen wieso er Widerspruch einlegt und die belegenden Dokumente hinzufügen. Der Widerspruch kann per Post oder persönlich an die Pflegekasse übermittelt werden. Wichtig ist, dass die Person einen Beleg über das Einreichen des Widerspruchs hat.
Bei der Begutachtung handelt es sich um eine Momentaufnahme. Aus diesem Grund kommt es oft vor, dass ein Antrag abgelehnt wird. Ist dies der Fall, so lohnt es sich in den meisten Fällen einen Widerspruch gegen den Pflegegrad einzulegen und die Situation des Pflegebedürftigen erneut darzustellen.
Was ist ein Pflegegrad?
Ob aufgrund des Alters, einer Erkrankung oder eines schweren Unfalls – es gibt viele Gründe dafür die Herausforderungen des Alltages nicht mehr alleine bewältigen zu können. Personen, die sich in solch einer Situation befinden, haben in Deutschland die Möglichkeit einen sogenannten Pflegegrad zu beantragen. Je nach Schwere der Beeinträchtigung, wird ihnen daraufhin der Pflegegrad 1 bis 5 zugeteilt:
Der Pflegegrad 1 ist die erste und somit niedrigste Stufe der Pflegebedürftigkeit. Das bedeutet, dass Personen mit diesem Grad sich noch weitestgehend selber versorgen können. Die finanziellen Ansprüche dieser Personen sind demnach geringer als die Ansprüche der Personen aus den höheren Pflegegraden. Beispielsweise besteht kein Anspruch auf Tages- und Nachpflege, dafür aber auf eine Wohnraumanpassung.
Damit eine Person den Pflegegrad 2 erteilt bekommt, muss eine “erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit” festgestellt werden. Die finanziellen Leistungen sind demnach erheblicher als bei dem ersten Grad. Beispielsweise gibt es Zuschüsse für einen ambulanten Pflegedienst, für Personen, die zuhause versorgt werden. Auch ein Tages- und Nachtpflege wird hier gewährt.
Die nächsten Stufe ist der Pflegegrad 3. Personen, die diesen erteilt bekommen, wird eine “schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit” zugeschrieben. Dadurch steigen die finanziellen Ansprüche im Vergleich zum zweiten Grad. Der Person steht beispielsweise doppelt so viel Geld für die Tages- und Nachtpflege zur Verfügung.
Bei der Pflegestufe 4 liegt bereits eine “schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit” vor. Der betroffenen Person steht demnach noch höhere finanzielle Leistungen zu, die sie bei der Bewältigung des Alltags unterstützen soll.
Bei dem Pflegegrad 5 gibt es die umfangreichsten Leistungen. Die betroffenen Personen leiden nachweislich unter der “schwersten Beeinträchtigung der Selbstständigkeit”.
Bis zum 01. Januar 2017 war der Pflegegrad noch unter dem Begriff Pflegestufe bekannt. Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz wurden die drei Pflegestufen allerdings durch die fünf Pflegegrade ersetzt.
Auf welche Leistungen hat man mit einem Pflegegrad Anspruch?
Personen, denen ein Pflegegrad anerkannt wird, haben Anspruch auf eine Reihe von finanzielle Leistungen. Diese können in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, um die Personen bei der Bewältigung der Alltagsaufgaben zu unterstützen. Folgende Bereiche werden hiervon abgedeckt:
Mit dem Pflegegeld werden Pflegebedürftige unterstützt, die zu Hause von einem Privatbetreuer, z.B. einem Familienmitglied gepflegt werden.
Pflegesachleistungen richtet sich an Personen, die zu Hause von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden.
Auch die Tages- und Nachtpflege richtet sich an Personen, die zu Hause von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden.
Die Leistung der Kurzzeitpflegekann dann eingesetzt werden, wenn der Pflegebedürftige beispielsweise aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes besondere Zuwendung benötigt.
Die Verhinderungspflege betrifft Personen, die von einem Privatbetreuer gepflegt werden und kann dann eingesetzt werden, wenn der Pfleger beispielsweise krank oder im Urlaub ist.
Die Vollstationäre Pflege richtet sich an Pflegebedürftige, die stationär in einem Pflegeheim betreut werden.
Die Betreuungs- und Entlastungsleistung kann dann eingesetzt werden, wenn der monatlich Anspruch auf Pflegesachleistungen nicht ausgeschöpft wurde und das Geld für alternative Pflegesachleistungen investiert werden soll.
Mit den Pflegehilfsmittel zum Verbrauch können Artikel wie beispielsweise Desinfektionsmittel oder Handschuhe gekauft werden.
Mit dem Geld für den Hausnotruf kann in ein mobiles Notrufsystem investiert werden. Hiermit können sie im Notfall schnell und einfach den Notruf erreichen.
Wohnraumanpassung: Sollte die Wohnung des Pflegebedürftigen barrierefrei umgebaut werden, so wird der betroffenen Person ein einmaliger Zuschuss gewährt. Sollte im Laufe der Jahre nochmals eine Anpassung vorgenommen werden, so kann eine zusätzliche Finanzhilfe gewährt werden.
Wohngruppenzuschuss: Möchte der Pflegebedürftige in beispielsweise einer Senioren-WG leben, so wird ein Einrichtungszuschuss für die Wohnung gewährt. Zusätzlich kann ein Zuschuss für die Beschäftigung einer Organisationskraft beantragt werden.
Wie hoch ist der Leistungsanspruch?
Ob bzw. in welcher Höhe ein Zuschuss gewährt wird, ist abhängig von dem Pflegegrad der Person. Aus der nachstehenden Tabelle können diese Informationen entnommen werden.
Höhe der Pflegeleistungen 2022
Pflegeleistungen
Pflegegrad 1
Pflegegrad 2
Pflegegrad 3
Pflegegrad 4
Pflegegrad 5
Pflegegeld
316 €
545 €
728 €
901 €
Pflegesachleistungen
724 €
1.363 €
1.693 €
2.095 €
Tages- und Nachtpflege
689 €
1.298 €
1.612 €
1.995 €
Kurzzeitpflege
1.774 €
1.774 €
1.774 €
1.774 €
Verhinderungspflege
1.612 €
1.612 €
1.612 €
1.612 €
Vollstationäre Pflege
770 €
1.262 €
1.775 €
2.005 €
Betreuungs- und Entlastungsleistungen
125 €
125 €
125 €
125 €
125 €
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch
bis zu 40 €
bis zu 40 €
bis zu 40 €
bis zu 40 €
bis zu 40 €
Hausnotruf
25,50 €
25,50 €
25,50 €
25,50 €
25,50 €
Wohnraumanpassung
4.000 €
4.000 €
4.000 €
4.000 €
4.000 €
Wohngruppenzuschuss
214 €
214 €
214 €
214 €
214 €
Weitere Informationen
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Weitere häufig gestellte Fragen
❓ Was ist ein Pflegegrad?
Ein Pflegegrad kann von Personen beantragt werden, die im Alltag überfordert sind. Mit der Anerkennung der Pflegebedürftigkeit geht eine finanzielle Unterstützung einher, die den Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags helfen soll.
🧓 Wer kann einen Pflegegrad beantragen?
Der Pflegegrad kann von jeder Person beantragt werden, die das Gefühl hat nicht mehr alleine zurecht zu kommen. Der Antrag wird bei der Pflegekasse gestellt, die einen Gutachter zu der Person nach Hause schickt. Dieser Gutachter entscheidet, über die Selbstständigkeit der Person und somit darüber, ob sie einen Pflegegrad bekommt.
⌚ Wie lange ist ein Pflegegrad gültig?
Wie lange der Pflegegrad gültig ist, hängt von dem Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person. Verbessert sich ihr Zustand im Laufe der Zeit, so kann der Pflegegrad reduziert bzw. aberkannt werden. Verschlechtert sich der Zustand, so kann die Person einen Antrag auf einen höheren Pflegegrad stellen.
📂 Wie beantragt man einen Pflegegrad?
Der Pflegegrad muss bei der zuständigen Pflegekasse beantragt werden. Hierfür muss vorerst ein formloser Antrag (schriftlich oder telefonisch) gestellt werden. Der Antragsteller erhält anschließend ein Antragsformular, das er ausfüllen muss. Im letzten Schritt kommt ein Gutachter zum Antragsteller nach Hause und überprüft seine Selbstständigkeit. Der Antragsteller wird nach Abschluss der Begutachtung schriftlich über das Ergebnis informiert.
Camille ist seit Januar 2022 Redakteurin im Team von DeinHilfexpert und schreibt Artikel für den Ausbau des deutschen Servicebereichs. Sie absolviert derzeit ein duales Studium an der ISCOM Schule in Paris und im Unternehmen DeinHilfexpert.